"Die Zimmer sind ein Gedicht gegenüber früher"

24.11.2020 | Interview mit Franz Dobmeier, KF München-Au

Im Jahr 1869 ist das Kolpinghaus in der Münchner Au erbaut worden. Seitdem wurde mehrere Male umgebaut und nach dem Krieg auch wiederaufgebaut. Jetzt wurde das heutige Jugendwohnheim Entenbach erneut aufwendig renoviert und bietet in modernen Zimmern Platz für rund 120 Jugendliche. Möglich war das nur, weil die Kolpingsfamilie München-Au mit dem Kolping-Bildungswerk München und Oberbayern einen starken Partner gefunden hat. Franz Dobmeier ist seit 40 Jahren Vorsitzender der Kolpingsfamilie München-Au und kann über die Veränderungen der letzten Jahrzehnte berichten.

 

Franz, wie bist du denn zur Kolpingsfamilie München Au und zum Wohnheim Entenbach gekommen?
Da war immer etwas Glück dabei. Ich komme eigentlich aus Niederbayern, als Handwerker in München haben wir immer direkt auf den Baustellen geschlafen. Da gab es so kleine Holzhütten, in denen bis zu sechs Leute geschlafen haben. Der Pfarrer aus meiner Heimat hat mir dann aber den Tipp gegeben, mich einmal beim Wohnheim Entenbach zu melden. Da habe ich zum allerersten Mal auch von Kolping erfahren.

Und da konntest du dann wohnen?
Ich bin dann gleich zum Heimleiter in Entenbach gegangen. Der meinte aber, dass es wohl mindestens ein halbes Jahr Wartezeit gibt. Mein Pfarrer hatte mir aber auch einen Brief für den Heimleiter mitgegeben. Und dank des Briefes konnte ich dann auch direkt am nächsten Tag einziehen, denn der Pfarrer war der Bruder vom Heimleiter. Und so konnte ich direkt am nächsten Tag in ein Übergangszimmer einziehen und raus aus der Bretterbude von der Baustelle.

Weißt du noch wo dein Zimmer war?
Wo heute die Wendeltreppe ist, da habe ich 10 Jahre lang gewohnt, mit etwa 18 Jahren. Meine Frau wohnte hier auch direkt in der Nachbarschaft privat mit ihrer Familie. Das Wohnheim kann man aber mit heute überhaupt nicht vergleichen. In den Zimmern haben vier Menschen in Stockbetten geschlafen. Außerdem wurde damals auch am Haus gebaut, manchmal wenn wir nach der Arbeit nachts heimgekommen sind, lag noch der Schutt im Zimmer oder es war ein Loch in der Wand oder weil im Gang der Estrich verlegt wurde, mussten wir übers Fenster einsteigen (Franz lacht), weil der Estrich noch frisch war.

Wie teuer war die Miete denn damals in den 50er Jahren?
Naja, nach der Renovierung von der ich gesprochen habe ging natürlich die Miete kräftig nach oben. Aber der Pfarrer in der Au hat sich eingesetzt, dass wir Burschen, die wir den Dreck mitgemacht haben, noch die alte Miete bezahlen durften. Wir haben dann weiterhin nur 30 Mark im Monat für das Zimmer gezahlt, während die anderen schon 70 oder 80 Mark zahlen mussten.

Und du hast gesagt, dass deine spätere Frau auch in der Nachbarschaft gewohnt hat?
Meine Schwiegermutter war die Frau Rückel und die hat im Wohnheim manchmal in Vertretung der Putzfrau geputzt. Und ich wusste als Heimbewohner, dass die Frau Rückel einen Sohn hatte, aber eines Tages habe ich die Frau Rückel vom Fenster aus gesehen und habe sie schön gegrüßt. Sie hat dann zurückgegrüßt und meinte, dass sie zum Einkaufen geht. Ein Dirndl, das ihr hinterhergelaufen ist, hat dann noch gerufen „und ein Eis kaufen wir uns, magst auch eines“. Dann hab ich gesagt „freilich mag ich auch ein Eis“. Dann hat mir wenige Minuten später meine spätere Frau ein Eis mitgebracht.

War das Wohnheim schon immer im Besitz der Kolpingsfamilie München Au?
Immer schon! Das Kolpinghaus war früher auch das Zentrum der Pfarrei Maria Hilf. Bei Faschingsfeiern oder sonstigem war das immer bei uns im Saal. Und da waren schon Faschingsbälle dabei, (grinst) die sich sehen haben lassen können. Damals war es so, wenn um 19 Uhr der Saal aufgemacht wurde, waren die Leute schon bis auf die Straße angestanden, damit sie einen Platz bekommen haben. Heute bist du froh, wenn 30-40 Leute kommen.

Heute schlafen im Wohnheim Entenbach ja vor allem Blockschüler, aber das war früher ja sicher noch anders, oder?
Es ist los gegangen, dass man erst ganz normal an Privatpersonen vermietet hat. Dann war es aber auch immer wieder so, dass Zimmer leer gestanden waren. Wir hatten einen Heimleiter, besser gesagt Hausmeister, dem das Bier lieber war als sein Schreibtisch. Dann ist zum Beispiel jemand ausgezogen, der drei Monate nicht Miete gezahlt hatte und mit ihm waren dann auch die drei Monate Miete weg. Wegen solchen Problemen haben wir dann irgendwann gesagt, dass es so nicht weitergehen kann und wir es anders machen wollen. Dann waren eine Zeit lang Jugendliche drin, die Wehrersatzdienst gemacht haben und dann ist das Bildungswerk schon rein gekommen mit ein paar Leuten. Zuerst hatte das Bildungswerk nur ein Stockwerk, dann noch das Erdgeschoss und dann immer mehr.

Wie ist es denn dazu gekommen, dass die Kolpingsfamilie dann auch die komplette Leitung des Wohnheimes abgegeben habt an das Bildungswerk?
Es gab dann irgendwann Vorschriften, dass in einem Wohnheim auch nachts immer jemand an der Pforte sein muss, aber das konnten wir nicht, wir haben das ja alles ehrenamtlich gemacht. Das Bildungswerk war als vertrauenswürdiger Partner aber ja sowieso schon im Haus und dann war es am sinnvollsten, wenn es das Bildungswerk ganz übernimmt.

Jetzt steht das Bildungswerk ja sogar bei euch in der Satzung. Falls ihr euch einmal auflöst, fällt alles an das Bildungswerk. Wie kam es denn dazu?
(Franz atmet schwer aus) Das hat mich viel Zeit und viele Telefoniererei gekostet. In jeder Satzung einer Kolpingsfamilie steht ja drin, dass bei Auflösung das Vermögen der Kolpingsfamilie an den Diözesanverband oder an das Kolpingwerk in Köln fließt. Wir hatten aber wie gesagt mit dem Bildungswerk schon sehr gute Erfahrungen gemacht und wollten deshalb unbedingt, dass es ans Bildungswerk fällt. Ich habe dann beim Kolpingwerk in Köln angerufen, aber die wollten das natürlich nicht, dass das Bildungswerk das Haus bekommt. Ich habe zu den Kölnern dann gesagt ‘okay, wenn das nicht geht, dann verkaufen wir die Hütte und machen von dem Geld eine Weltreise‘. Nach 14 Tage kam dann wieder ein Anruf vom Kolpingwerk, in einer Sondersitzung hätten sie besprochen, dass unser Vermögen ausnahmsweise doch an das Bildungswerk fallen darf.

Wie ist die Beziehung der Kolpingsfamilie zum nagelneuen Wohnheim? Ist man da stolz?
Wir sind sogar sehr stolz, denn so viele Kolpinghäuser gibt es ja nicht mehr. Viele Kolpingsfamilien mussten ihre Häuser verkaufen, weil sie kein Geld mehr für die Instandhaltung hatten. Dann sind die Häuser entweder an die Pfarrei gefallen oder verkauft worden. In München wurden so sicher vier bis fünf Kolpinghäuser verkauft. Wenn ich aber heute auf einer größeren Kolping-Versammlung bin, dann wundern sich immer alle, dass wir unser Haus nach wie vor haben. Das ist eben das Glück, das wir hatten, dass wir das Bildungswerk als finanziellen Unterstützter an unserer Seite haben.

Hast du dich als Vorsitzender der Kolpingsfamilie dann auch viel in den Umbau eingebracht?
Ich war immer auf der Baustelle dabei und habe mir immer alles mit angeschaut. Ich bin ja schon seit 40 Jahren Vorsitzender der Kolpingsfamilie. Wenn irgendetwas unklar war, hieß es deshalb immer „Wir fragen einfach den Franz, der weiß das schon“ (lacht).

Du bist ja auch gelernter Zimmerer, hast du den Handwerkern auch über die Schulter geschaut?
Natürlich habe ich mit den Arbeitern gesprochen. Da haben wir auch ein bisschen gefachsimpelt, aber ich habe da niemandem etwas reingeredet. Aber manchmal konnten wir uns gegenseitig auch noch etwas erklären.

Warum war der Umbau so dringend notwendig?
Die Zimmer waren einfach alt. Da waren Holzböden, die geknackt haben und kaputt waren. Die Stockbetten kamen alle raus. Einige Fenster haben nicht mehr optimal geschlossen. Jetzt ist es einfach ein schönes Wohnen hier. Es war leider alles veraltet, weil wir lange nicht renoviert haben. Aber nachdem das Bildungswerk weiß, dass sie das Haus langfristig nutzen können, war es auch bereit zu investieren.

Und was gefällt dir jetzt am besten?
Jetzt schaut alles fantastisch aus, die Zimmer sind ein Gedicht gegenüber früher. Vor allem die Glasfront am Eingang schaut jetzt schon richtig modern aus. Es ist jetzt nicht nur ein normales Haus, sondern mit dieser großen, schrägen bunten Glasfläche ist es richtig auffällig. Manche sagen vielleicht, dass es schief aussieht, aber mir gefällt es richtig gut.

Was wünschst du dir wie es mit dem Wohnheim weitergeht?
Ich wünsche mir, dass es so weitergeht wie es jetzt ist. Wir sind froh, dass das Bildungswerk hier alles übernommen hat. Etwas Besseres als die Zusammenarbeit mit dem Kolping-Bildungswerk hätte es für uns gar nicht geben können.

Vielen Dank Franz, dass du dir für das Interview Zeit genommen hast.

 

(Das Interview erschien in gekürzter Form bereits im Kolping-Magazin des Kolpingwerkes Diözesanverband München und Freising.)

 

 

Simon Vornberger, Referent für Öffentlichkeitsarbeit
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Fotos: Simon Vornberger / Kolping München

Kolpingsfamilie München-Au