Erinnerung an Gesellenmord vor 100 Jahren

03.06.2019 | Kolpingstunde beim Münchner Kirchenradio

21 unschuldige Kolping-Gesellen wurden 1919 in den Wirren des Münchner Bürgerkriegs getötet. Der Münchner Historiker Hermann Rumschöttel erklärt in der Kolpingstunde die politischen und gesellschaftlichen Umstände der Tat.

Als sich 26 Kolping-Gesellen am 06. Mai 1919 in ihrem Vereinslokal in der Münchner Augustenstraße versammeln, um ein Theaterstück zu besprechen, das der Gesellenverein aufführen möchte, ahnen sie nicht, dass die meisten von ihnen das Treffen nicht überleben werden. Völlig überraschend stürmen Freikorps- und Regierungssoldaten das Lokal. Sie behaupten, die Gesellen seien Spartakisten und hätten eine verbotene Versammlung abgehalten. Obwohl die Gesellen das dementieren, werden sie abgeführt und in ein Arrestgebäude am Karolinenplatz getrieben. Dort werden sie in einer regelrechten Gewaltorgie brutal zusammengeschlagen und schließlich auf dem Hof und im Keller erstochen oder erschossen.

Der Gesellenmord sei für die historische Aufarbeitung der Monate nach dem Sturz der bayerischen Monarchie von großer Bedeutung, erklärt der Münchner Historiker und frühere Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns, Hermann Rumschöttel. Er markiere vor allem einen Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung der Gewalt gegen die Revolutionäre. Der Skandal, dass mit den Kolping-Gesellen Unschuldige getötet werden, lässt sich anders als bei früheren Morddelikten nicht verschleiern. Die Sache kommt sogar vor Gericht. Der Prozess habe sich aber nur auf nachgeordnete Soldaten beschränkt, die Offiziere seien unbehelligt geblieben. Somit sei die rechtliche Aufarbeitung des Gesellenmordes „kein Ruhmesblatt der bayerischen Justiz“ in den Anfängen des Freistaates Bayern gewesen, so Rumschöttel.

Immerhin leitet der Gesellenmord das „Ende der Gründungsmassaker der Bamberger Republik“ ein, andererseits ist er gewissermaßen schon ein Vorgeschmack auf die Radikalisierung der Gesellschaft, die sich später Bahn bricht. Ein massiver Antisemitismus und ein Erstarken antidemokratischer Parteien seien die direkten Folgen der Bürgerkriegszeit, so Rumschöttel. Insofern mahne der Gesellenmord uns auch heute, bei radikalen Ideologien wachsam zu sein. Er zeige letzten Endes, „wie dünn die Krume der Kultur in unserer Gesellschaft ist, wie gefährdet sie immer ist und wie sorgfältig man mit ihr umgehen muss“.

Paul Hasel, Münchner Kirchenradio