Oh Herr, was ist das für so viele?

30.07.2015 | Impuls von Msgr. Christoph Huber mit Aufruf zur Perspektiven-Hinterfragung

Diesen Einwand des Apostels aus dem heutigen Evangelium höre ich immer wieder in verschiedenen modifizierten Formen: Der Finanzminister klagt, dass die Steuereinnahmen nicht reichen und der ausgeglichene Haushalt durch die Flüchtlinge bedroht ist. Die Wohnungsmieter klagen, dass der Wohnraum zu knapp ist. Der Handwerkskammerpräsident bemängelt, dass es zu wenige Jugendliche gibt für die Lehrstellen, die dringend besetzt werden müssen. Rentner müssen sparsam mit ihren Geldmitteln umgehen und bei manchen reicht es trotzdem nicht.

Jesus lässt dieses Argument aber nicht gelten. Er sagt: „Schau, was Du hast. Begreife es als gesegnet, und dann wird es sich vermehren. Es wird genug sein.“

Nun: Die Steuereinnahmen sind so hoch, wie noch nie. Jedem steht heute doppelt so viel Wohnraum zur Verfügung wie vor 40 Jahren. Viele junge Menschen würden gerne bei uns arbeiten, dürfen aber nicht. Die Rentenkasse und die Sozialkassen sind so voll wie lange nicht. Auch das ist eine Betrachtungsweise, die sagt: Wir haben durchaus Gestaltungsspielraum! Wir müssen ihn allerdings auch anpacken: Wir müssen austeilen, damit etwas übrig bleibt.  Und wir dürften uns eigentlich als Gesegnete betrachten, denn unsere Probleme hätten viele andere gern: Die Kriegsflüchtlinge oder Länder wie der Libanon.

Wer vor den Problemen stehen bleibt und bejammert: „Oh Herr, was ist das für so viele?“ – der wird weder Segen erhalten, noch wird er oder sie zum Segen für andere. Der wird sich vielmehr zurückziehen in Angst und Hilflosigkeit oder Aggression und mit Hauen und Stechen das bisschen verteidigen, das er zu haben meint. Zum Segen werden wir dann, wenn wir begreifen: Im Austeilen werden die entscheidenden Dinge mehr, statt weniger.

Meine Großmutter war Kriegsflüchtling, mit einer kleinen Witwenrente. Sie hat nie gejammert, sondern uns Enkeln immer das Gefühl gegeben, dass wir das Wichtigste sind und sie hat uns mit Kleinigkeiten wie dem abgeschälten Apfel verwöhnt, weil sie wusste, dass wir die Schale nicht mochten als Kinder. Sie war ein Segen für uns und sie wirkt noch heute, obwohl sie schon vor vielen Jahren gestorben ist.

Msgr. Christoph Huber, Diözesan- und Landespräses
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