Perspektiven bieten!

09.01.2015 | Kolping Bildungswerk Bayern e.V.

Stellungnahme des Kolping-Bildungswerks Bayern e. V. zur Situation junger Flüchtlinge in Bayern vom 6. Januar 2015.

Der Beirat des Kolping-Bildungswerks Bayern e. V. hat sich in seiner Oktober-Sitzung 2014 intensiv mit der Situation junger Flüchtlinge in Bayern befasst. Er sieht die im Jahr 2014 gestiegene und sicherlich in nächster Zukunft weiterhin steigende Anzahl junger, häufig unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge als eine enorme Herausforderung und zugleich als eine Chance für das gesellschaftliche Zusammenleben in Bayern an. Die Situation betrifft alle Gemeinwesen, Politik und Verwaltung auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene und nicht zuletzt die Kirchen mit ihren Pfarreien und Organisationen, zu denen auch Kolping gehört.

Das Kolping-Bildungswerk Bayern möchte allen danken, die sich für eine menschliche und sichere Aufnahme und Unterbringung der jungen Flüchtlinge einsetzen und sich für Perspektiven für diese jungen Menschen engagieren: den vielen Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen sowie den Verantwortlichen in Politik, Regierungen und Kirchen. Dieses Engagement ist großartig und muss verstärkt werden. Nicht zuletzt die Gliederungen von Kolping selbst machen den jungen Flüchtlingen Angebote vielfältiger Art: Viele hunderte junger Frauen und Männer kamen und kommen schon in den Genuss von Hilfen, die sich an den christlichen Werten Adolf Kolpings orientieren. Hier wird den Menschen in ihrer besonderen Lebenssituation würdevoll, mit Achtung und Respekt begegnet. Diese Angebote, die sich aktuell im weiteren Ausbau befinden, reichen von der Unterbringung in Jugendwohnheimen über die Beschulung im Berufsintegrationsjahr bis hin zu Berufsorientierung und -ausbildung.
Um solche Angebote angemessen und hilfreich ausbauen zu können, müssen jedoch die Rahmenbedingungen stimmen. Und da gibt es über das Erreichte hinaus noch viel zu tun. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass ….
1 ... jungen Flüchtlingen zur Unterstützung ihrer Eingliederung in Ausbildung und Beruf geeignete
Angebote im Rahmen des SGB VIII (Jugendsozialarbeit), wenn nötig in Kombination mit Leistungen
des SGB II/III, gemacht werden.
2 ... dann, wenn junge Flüchtlinge Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (insbesondere Berufsausbildungsbeihilfe, ggf. auch Maßnahmen wie BvB, BaE etc.) brauchen, diese so früh wie möglich gewährt werden – nicht erst nach vier Jahren, wie es das SGB III bislang vorsieht,
oder, wie derzeit in Planung, nach 15 Monaten ab 2016.
3 ... das Absolvieren einer Berufsausbildung sowie zwei weitere anschließende Berufsjahre im Interesse des jungen Menschen und des Betriebs mit einem gesicherten Aufenthaltstitel verbunden sind.
4 ... spezialisierte Clearing-, Beratungs- oder Assistenzangebote die Jugendlichen, die Betriebe und die Berufsschulen bei Schwierigkeiten in der Berufsausbildung begleiten und unterstützen.
5 ... das kooperative Berufsintegrationsjahr sowie die neuen Vorklassen hierzu als notwendiges berufsschulisches Förderangebot zügig und bedarfsgerecht weiter ausgebaut werden.
6 ... die im Ausbau befindlichen und sinnvollen Klassen für junge Flüchtlinge an Berufsschulen für diese Zielgruppe unter bestimmten Voraussetzungen auch an Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung eingerichtet werden, da hier Kompetenzen im Umgang mit förderungsbedürftigen Zielgruppen vorhanden sind.
7 ... Deutschkurse als schulische Veranstaltungen in Verantwortung des Freistaats Bayern jungen Flüchtlingen die sprachlichen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Verlauf ihrer Berufsausbildung schaffen durch die Möglichkeit, die deutsche Sprache bis zum Kompetenzniveau B2 zu
erlernen.
8 … auch während der beruflichen Ausbildung eine Vertiefung der Sprachkenntnisse erfolgt (etwa durch einen sprachsensiblen Fachunterricht an allen Berufsschulen).
9 ... die staatlich geförderten Stellen in der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) als sozialpädagogisches Förderangebot an Regelschulen deutlich ausgebaut wird und den Fachkräften Qualifizierungsangebote zur Arbeit mit den jungen Flüchtlingen und ihren vielfältigen Traumatisierungen gemacht werden.
10 ... landesweit genügend therapeutische Angebote für traumatisierte Jugendliche zur Verfügung stehen.
11 ... die Unterbringung Minderjähriger in der Inobhutnahme wie in Nachfolgeplätzen sich stets auch an den individuellen Bedarfen der Jugendlichen orientiert. Bewährte Standards der Jugendhilfe
zu diskutieren darf dabei nicht heißen, diese voreilig zur Disposition zu stellen.
12 ... dann, wenn junge Flüchtlinge in Einrichtungen der Jugendhilfe volljährig werden, mit diesen zusammen eine tragfähige, zunächst weiterhin jugendhilfeorientierte Perspektive entwickelt wird, bei der anstelle einer Überführung der jungen Volljährigen in eine Gemeinschaftsunterkunft das Wohnen in der Jugendhilfe oder in privaten Räumen stets Vorrang haben sollte.
13 ... eine bayern- und deutschlandweite gerechte Verteilung in der Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ermöglicht, in der praktischen Durchführung dabei aber so umgesetzt
wird, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen stets an erster Stelle steht.
14 ... kommunal und überregional, in Kirchen und Verbänden zeitnah tragfähige und vertrauensvolle Netzwerke geschaffen werden, die eine offene Kommunikation und effektive Kooperation in allen Fragen der Unterbringung und Alltagsbetreuung gewährleisten.
15 ... die Verantwortlichen sowie alle Akteure vor Ort stets abgestimmt, sachgerecht und zielgerichtet zusammenarbeiten.
16 ... die reguläre Arbeit für junge Menschen mit Unterstützungsbedarf und die konzeptionellen Angebote für junge Flüchtlinge eng verknüpft und in ihren Zielsetzungen aufeinander abgestimmt
sind.


Diese kurz- und mittelfristig dringend notwendigen Anpassungen erfordern das Engagement vieler.
Die unterschiedlichen Parlamente und Räte, Ministerien und Behörden sowie Verbände sind gebeten, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten derjenigen Sachverhalte anzunehmen, die sie jeweils betreffen: Die entsprechenden Mittel müssen bereitgestellt und Gesetze sowie Verordnungen angepasst bzw. großzügig im Interesse der jungen Menschen ausgelegt werden.
Vor Ort braucht es gute Kommunikationsstrukturen und eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, damit Transparenz hergestellt wird, Hilfsangebote effizient umgesetzt werden, Vorurteile frühzeitig abgebaut werden können und die jungen Flüchtlinge als eine Bereicherung für das Zusammenleben – und nicht zuletzt als zukünftige Fachkräfte für die Wirtschaft – gesehen werden. Gerade auch hierbei sind die bei Kolping und in den Kirchen Engagierten als Vorreiter gefragt.
Wenn die aktuelle Not durch pragmatische Maßnahmen gelindert wurde, so sollte in Ruhe und unter breiter Beteiligung konzeptionell über zukünftige, tragfähige Hilfe- und Arbeitsstrukturen im Umgang
mit den jungen Flüchtlingen beraten werden.

Diese Stellungnahme wird getragen von den Mitgliedern des Beirats sowie des Aufsichtsrats und des Vorstands des Kolping-Bildungswerks Bayern e. V. – www.kolping-bildungswerk-bayern.de

Perspektiven bieten! Stellungnahme des Kolping-Bildungswerks Bayern e. V.
zur Situation junger Flüchtlinge in Bayern vom 6. Januar 2015

www.kolping-bildungswerk-bayern.de

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