Vom pfleglichen Umgang miteinander – wenn Angehörige pflegebedürftig werden

16.06.2014 | Kooperationsseminar 2014 der Hanns-Seidel-Stiftung mit dem Kolpingwerk DV München und Freising

35 „lebensmutige“ Erwachsene und 7 Kinder/Jugendliche reisten von 16. bis 18. Mai 2014 nach Wildbad Kreuth, um sich dem Thema präventiv oder weil sie direkt betroffen sind bzw. waren, zu stellen.

Am Freitagabend verschaffte ein sehr persönlicher und berührender Einstieg in das Thema durch die Lesung von Frau Martina Rosenberg aus ihrem Buch „Mutter, wann stirbst Du endlich?“, manchem Teilnehmer eine schlaflose Nacht. Martina Rosenberg erzählt die authentische Geschichte einer ganz normalen Familie, für die das Leben durch die Extrembelastung der Pflege der schwer kranken Eltern zum Albtraum wurde. Es ist die Geschichte ihrer eigenen Familie. Die Mutter erkrankt an Demenz, der Vater erleidet einen Schlaganfall, und Schritt für Schritt muss die Tochter die Verantwortung und Organisation des elterlichen Lebens übernehmen. Verzweifelt versucht sie, allen Anforderungen gerecht zu werden und scheitert, bis nach neun Jahren nur noch der Wunsch übrig bleibt: "Mutter, wann stirbst du endlich?" Auf eindrückliche Weise gibt dieser zuweilen erschreckend ehrliche Bericht all jenen eine Stimme, die ungewollt zu den Eltern ihrer Eltern werden, und dokumentiert die Verzweiflung derer, die von Politik und Gesellschaft mit dieser Verantwortung allein gelassen werden.

Am Samstagvormittag hat Herr Hans Vollhardt, ehemaliger Landrat und Bürgermeister von Ebersberg einen wunderbaren Weg aufgezeigt, ohne die Hilfe der eigenen Kinder auszukommen und selbständig sowie präventiv das Thema „Leben und Wohnen im Alter“ in die Hand zunehmen. Sein Konzept SALWE, einer Wohngemeinschaft von Senioren/innen in Ebersberg, machte allen Teilnehmern wieder Hoffnung. Die Botschaft, sein Leben im Alter selbst in die Hand zunehmen und nicht zu warten, bis es jemand für mich tut, kam an! Wer mehr dazu wissen will, kann sich informieren unter: http://www.salwe.eu/w_info_4.htm

Diese proaktive Sicht auf das Thema setzte ebenfalls am Samstagvormittag Frau Kleinwegen, Pflegedienstleitung ganz praktisch fort. Ihr Fokus lag vor allem auf  der Notwendigkeit zur Selbstfürsorge der Pflegenden. Hier gab sie den Teilnehmern ganz praktisch Infos und Tipps.

Am Samstagnachmittag kam Der Pflegekritiker im deutschsprachigen Raum schlechthin, Herr Claus Fussek zu uns. Er war ebenso genial wie informativ, emotional und sachlich zugleich.  Sein Anliegen war es vor allem, auf sehr anschauliche Art und Weise, uns alle in die Pflicht zu nehmen “ nicht nur auf die Politiker zu schimpfen, sondern selbst zu tun, was zu tun ist und was jeder tun kann, dort wo er ist”

Am Sonntag haben wir selbst noch einmal einen Bogen gespannt, uns mit unseren Wurzeln und unserer eigenen Familiengeschichte auseinandergesetzt,  haben typische Familiensituationen zum Thema „Pflege“ als Rollenspiele durchgespielt und analysiert, wie  Kommunikation konstruktiv ablaufen könnte und was wichtig ist, bei den “30 heiklen Themen, die man mit seinen Eltern besprechen sollte”. Die Teilnehmer/innen bekamen abschließend konkrete Kommunikationstechniken an die Hand, für diese Gespräche. Also alles in allem also eine runde Sache!

Parallel zum Erwachsenenprogramm fand, bestens geführt von Magdalena Haimmerer und Lukas Kempe ein Programm für Kinder und Jugendliche statt. Von erlebnispädagogischen Aktionen, über gemeinsame Spiele hin zu Kreativ Angeboten bekamen die Kinder und Jugendlichen alles geboten, während die Eltern und Großeltern sich unangenehmeren Themen widmeten. Sie durften eine wunderbare Gemeinschaft Gleichgesinnter erleben und waren sich am Ende einig, „dass alles ganz viel Spaß gemacht hat und sie gerne wieder kommen würden“

Mit nach Hause nahmen sie selbstgebaute Vogelkästen, die sie dauerhaft an dieses Wochenende erinnern können.

Übervoll an neuen Erfahrungen, berührenden Gesprächen, interessanten Gedanken und hilfreichen Techniken waren sich alle Teilnehmer am Ende einig: ”Es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle, aber gut dass wir uns damit auseinandergesetzt haben und wir nehmen uns konkret vor, das Thema in unserer Familie anzugehen”.

Die Atmosphäre, Umgebung, Verpflegung und die Mitarbeiter/innen des Hauses haben, wie immer Ihr Übriges dazu getan, dass alle Teilnehmer/innen gerne wiederkommen wollen.

Alexandra Schreiner-Hirsch, Familienreferentin
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Diskussion mit Claus Fussek
Buch von Martina Rosenberg
Referat durch Hans Vollhardt