Wahre Frömmigkeit kommt aus dem Herzen

03.03.2022 | Geistlicher Impuls der Kommission Spiritualität

Juliane Lorz von der Kommission für Spiritualität sendet uns einen geistlichen Impuls für den März.

Die Glasfenster in St. Bernhard in Bad Herrenalb sind vom Münchner Jesuitenbruder Michael Kampik und wurden am Palmsonntag, 4.4.1993 bei einem ökumenischen Weiheakt eingeweiht. Das hier gezeigte Bild ist dem namenlosen seligen Gaukler gewidmet. Der „Anonymus Beatus Joculator“, wie es die lateinische Bildunterschrift formuliert, ist die lebendige Verkörperung des Wortes aus dem Buch der Weisheit „Die Weisheit spielt mit Gott“. In der Figur dieses Gauklers spiegelt sich jener Zug im Wesen Gottes, von dem David in seinen Psalmen ein Lied singt: die heitere Souveränität.

Die meisten kennen vielleicht seine Geschichte …

Es war einmal ein Gaukler, der zog tanzend und springend von Ort zu Ort. Aber plötzlich war er das Herumziehen leid. Er verschenkte sein wenige Habe und ging zu Mönchen in einem französischen Kloster. Aber weil er bis dahin sein Leben mit Kunststücken und Tanzen zugebracht hatte, war ihm alles fremd, was die Klosterbrüder machten: Er konnte nicht so richtig beten und auch keine religiösen Lieder singen. So ging er stumm umher, und wenn er sah, wie sie alle aus frommen Büchern lasen, oder während der Messe im Chor sangen und viele Gebete sprechen konnten, stand er dabei und schämte sich ...

In seinem Gram flüchtete er eines Tages in eine abgelegene Kapelle. „Wenn ich schon nicht zusammen mit den Mönchen beten kann", sagte er vor sich hin, „so will ich tun, was ich kann." Und während er die Mönche singen hört, beginnt er mit Leib und Seele zu tanzen - vor- und rückwärts, linksherum und rechtsherum. Mal geht er auf seinen Händen durch die Kapelle, mal überschlägt er sich in der Luft und springt die kühnsten Tänze, um Gott zu loben. Er tanzt ununterbrochen, bis ihm der Atem stockt und seine Beine nicht mehr können.

Ein Mönch war ihm gefolgt und hatte durch ein Fenster seine Tanzsprünge gesehen und dies dem Abt gepetzt. Am anderen Tag ließ der Abt natürlich den tanzenden Bruder zu sich rufen. Der erschrak zutiefst und dachte, er solle bestraft werden. Also fiel er vor dem Abt nieder und sprach: „Ehrwürdiger Abt, ich weiß, dass ich ein schlechter Mönch bin. Anstatt zu beten habe ich getanzt. Ihr habt Recht, wenn ihr mich aus dem Kloster verweist. So will ich freiwillig ausziehen und wieder die Unrast der Straße ertragen.“ Doch der Abt zog ihn zu sich empor und sagte: „Du hast mit deinem Tanzen eindringlicher zu Gott gesprochen, als wir es alle tun. Denn oft sind es nur unsre Lippen, die die Worte formen und nicht unsre Herzen. Bleibe bei uns. Deine Frömmigkeit kommt aus dem Herzen. Du ehrst Gott mit Leib und Seele durch dein Tanzen.“

Das ist die Weisheit. Sie pocht auf keine Gesetze und entwirft keine Strategien. Sie belehrt nicht und verstrickt sich nicht in komplizierte Gedankengänge, sie spielt – zweckfrei, freudig, selbstvergessen. Sie scheint Gott anzustecken mit ihrem Spiel. Es ist kreatives Spiel – mit Freude an der Schönheit der Dinge, die er schafft. In Gemeinschaft sein will Gott – mit seinen Geschöpfen, wie auch Adolf Kolping schon sagte:

"Tut jeder in seinem Kreis das Beste. Wird’s bald in der Welt auch besser aussehen!"

Juliane Lorz, Kommission Spiritualität
Schriftgröße
Schriftgröße
Glasfenster in St. Bernhard in Bad Herrenalb, vom Münchner Jesuitenbruder Michael Kampik