Johannes Pirzer zieht nach einem Jahr Einsatz im Colegio Adolfo Kolping Bilanz

31.01.2011 | „Intensiv - beindruckend schön“

Als ich das erste Mal in Santo Domingo de los Colorados ankam, dachte ich: „Oh Gott, wo bin ich denn hier gelandet?“ Diese Stadt liegt zwischen Quito und dem Pazifik, heißt also, dass das Klima feucht-heiß ist. Und das merkt man sofort. Eine klebrige Hitze, an die ich mich erst nach einer Woche gewöhnt hatte.

Zudem ist die Stadt einfach unübersichtlich. Daher war ich gezwungen, meinen deutschen Orientierungssinn zu vergessen und in ecuadorianischen Verhältnissen zu denken. Gott sei Dank hatte ich im Schulpersonal immer sehr gute Freunde, die in dieser fremden Umgebung meine Orientierung waren. Nach einem Monat kam ich in der Stadt gut zu Recht. Nach ca. einem halben Jahr kannte ich die Stadt besser, als so mancher Einwohner. Zu den Schwierigkeiten mit der Orientierung kamen natürlich auch Probleme mit der Sprache. Obwohl ich eigentlich gedacht hatte, ich könne nach dem Sprachkurs relativ gut Spanisch, musste ich leider feststellen, dass die Costeños einen völlig anderen Dialekt sprechen und Teile der Wörter, mit Vorliebe die Enden, „wegschlucken“. Trotzdem konnte ich nach einiger Zeit recht gut und nach ungefähr einem halben Jahr richtig gut mit meinen Arbeitskollegen über alle möglichen Themen diskutieren.

Natürlich habe ich mich nicht nur unterhalten und die Stadt erkundet, nein ich durfte auch arbeiten. Die ersten Wochen half ich der Englischlehrerin beim Unterricht. Nach einem Monat durfte ich dann im Sprachlabor meinen eigenen Unterricht gestalten. Auch damit wurde mein Spanisch immer besser, denn wie schon Martin Luther sagte, man müsse den Leuten „auf das Maul sehen“. Allerdings lernte ich dort nicht wirklich Standardspanisch sondern ein Spanisch gespickt mit Flüchen und Ausdrücken, die die Jugendlichen auf der Straße benutzen. Da kam es schon mal vor, dass ich ein solches Wort bei falschen Personen benutzte, sodass es zu Irritationen kam. Nach ca. drei Monaten wurde ich von einer Dozentin an der Universidad Central del Ecuador gefragt, ob ich einen Englischkurs bei selbiger Universität halten will. Ich sagte natürlich sofort zu. Denn dadurch hatte ich die Chance, andere Leute, auch in meinem Alter, kennen zu lernen.

Während der ersten Monate lernte ich sehr, sehr viele Menschen kennen. Und da mein Namensgedächtnis nicht das Allerbeste ist, habe ich mich auch sehr oft mit den Namen vertan. Im Oktober gab es von der Schule ein Zeltlager, bei dem auch ich dabei war. Dort ging es zu meiner Verwunderung sehr militärisch zu. Die Kinder mussten zum Beispiel durch ein Fluss kriechen, einen Abhang runter und wieder hoch klettern, um fünf in der Früh aufstehen und ein paar Kilometer laufen. Insgesamt war es aber sehr interessant, weil ich erstens die Kinder besser kennenlernen, auf der anderen Seite aber auch neue Früchte entdecken konnte, deren Existenz mir vorher verborgen war.

Im Dezember fand das jährliche „Encuentro de las familias Kolping“, also das Treffen aller Kolpingsfamilien, statt. Auch wir vom Colegio waren vertreten. Dort wurden die Meisterschaften in Basketball und Fußball ausgetragen. Dank meiner Größe (ich bin größer, als alle anderen Mitarbeiter bei Kolping Ecuador) konnten wir die Basketballdisziplin für uns entscheiden. Auch gewannen wir alle Fußballspiele, was bedeutet, dass wir der Champion wurden und daher das nächste Treffen (diesen Dezember) in Santo Domingo stattfinden wird. Mitte Februar begann das Zwischenseminar von der Erzdiözese München und Freising in Baños, bei dem ich auch andere Freiwillige kennenlernte, die ich noch nicht von der Vorbereitung kannte. Im Februar geschahen zwei Unfälle. Der Schuldirektor hatte mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter einen Motorradunfall, bei dem er sein rechtes Bein verlor. Zwei Wochen später verunglückte der Hausmeister der Schule, mein bester Freund, bei einem weiteren Motorradunfall. Er starb im März, nachdem er ca. einen Monat im Krankenhaus gelegen hatte. Das war mein persönlicher Tiefpunkt, bei dem ich aber sehr froh war, dass Alex Sitter, der für die Freiwilligen der Erzdiözese München und Freising in Ecuador zuständig ist, sehr gute Arbeit leistete und mir sehr geholfen hat.

Nach zweimonatiger Pause fing im April die Schule wieder an. Bei Schulanfang wurden mir neue Aufgabenfelder gestellt. Ich war jetzt der einzige Englischlehrer. Des Weiteren half ich dem Inspektor, dessen Aufgabe es ist, die Schüler unter Kontrolle zu halten und den geregelten Gang der Schule zu gewährleisten. Beide neuen Aufgabenfelder haben mir sehr viel Spaß gemacht und verbesserten zusätzlich den Beziehung zwischen Schülern und Kollegen. Während meines Aufenthaltes habe ich natürlich auch Bekanntschaft mit der Tierwelt Ecuadors gemacht. So hatte ich in meiner Wohnung die verschiedensten Arten und Größen von Spinnen, Ameisen, etc. Gott sei Dank nicht in meiner Wohnung, dafür aber außerhalb waren Schlangen, Iguanas, Affen, etc. unterwegs. Nicht nur neue Tiere habe ich kennengelernt sondern auch Pflanzen, wie die vielen verschiedenen Arten von Bananen, Guanabana, Yuca, Guaba, etc.

Die letzten vier Monate gingen irre schnell vorbei und dann kam auch schon der Abschied. Er war sehr bewegend, denn ich habe alle meine Freunde aus Ecuador sehr ins Herz geschlossen und auch noch immer sehr guten Kontakt mit ihnen. Als Kurzzusammenfassung (die ich nicht machen will, denn wie kann ein solches Jahr in einem oder wenigen Sätzen zusammengefasst werden?) habe ich ein sogenanntes Elfchen angehängt: intensiv beindruckend schön auch traurige Momente es war einfach irre klasse

Johannes Pirzer, 31.01.2011
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