Großfamilien brauchen nach Corona eine Verschnaufpause

08.01.2021 | Interview mit dem Kolping-Großfamilienservice

In Bayern bietet das Kolpingwerk einen "Großfamilienservice" an. Wir haben uns mit Sabine Weingarten vom Kolping-Großfamilienservice unterhalten.

Frau Weingarten, für wen ist die Großfamilienförderung denn da?

Weingarten: Vor über 30 Jahren ist das Kolpingwerk LV Bayern vom bayerischen Staatsministerium beauftragt worden, Angebote für kinderreiche Familien mit fünf und mehr Kindern (Großfamilien) und Familien mit Drillingen und höhergradigen Mehrlingen (Mehrlingsfamilien), die ihren Hauptwohnsitz in Bayern haben, zu machen. Und genau diese Familien werden dann auch von unserer Seite unterstützt.

Und wie groß war die „größte“ Familie, mit der Sie bisher zu tun hatten?

Weingarten: Ich betreue eine Familie im Allgäu, die 16 Kinder hat. Eine wunderbare Familie!

Das ist eindrucksvoll. Aber wie hilft die Großfamilienförderung denn solchen Familien?

Weingarten: Wir haben drei Förderbereiche: „Familienbildung“, „Familienerholung“ und „Familien in Not“. Bei den ersteren beiden heißt das, Kostenanteile von ca. 10-20% zu übernehmen, um der Familie die Teilnahme an einem meiner Bildungswochenenden zu ermöglichen oder die Finanzierung eines Erholungsaufenthaltes in unseren Kolpinghäusern ein wenig zu erleichtern. Bei der Förderung von „Familien in Not“ können es schon auch mal 50% der Kosten für zum Beispiel eine neue Waschmaschine, den Kommunionanzug oder einen Schwimmkurs für Drillinge sein. Ausschlaggebend für die Förderung ist immer die finanzielle Lage der Familie, über die ich mir mittels der Einkommensnachweise und durch ein persönliches Gespräch  mit den Eltern ein Bild mache.

Und wie hat jetzt die Corona-Situation die Lage von Großfamilien verändert?

Weingarten: Vor allem die Familien, die seit Ausbruch der Corona-Pandemie immer wieder von Kurzarbeit betroffen sind, leiden unter finanziellen Problemen.

Viele der Familien hat vor allem das Homeschooling vor schier unlösbare Probleme gestellt. So waren oftmals nicht genügend Laptops, Drucker oder Arbeitsplätze vorhanden um alle Kinder gleichzeitig „arbeiten“ lassen zu können. Und schnell mal vier, fünf oder auch nur zwei Geräte neu anzuschaffen war bei vielen einfach „nicht drin“. Allein diese Umstände haben zu vermehrten Spannungen in den Familien geführt.

Einige Familien, mit denen ich gesprochen habe, waren sozusagen „am Anschlag“. Vor allem die Jugendlichen litten sehr unter der Situation, sich nicht in gewohnter Weise mit ihren Freunden treffen zu können und trugen diesen Frust in die Familie. Die Eltern, bzw. meist die Mütter, waren damit überfordert, gleichzeitig „Ersatzlehrerin“, „Köchin“, „Familienmanagerin“, „Streitschlichterin“, „Seelentrösterin“, etc., etc. zu sein und lechzen nach einer Auszeit, wenn der ganze Spuk vielleicht ja mal ein Ende nimmt.

Bei so viel finanzieller, körperlicher und geistiger Belastung, wie kann die Großfamilienförderung denn dann jetzt in der Corona-Situation helfen?

Weingarten: Die Förderung von kinderreichen Familien ist und war zu jeder Zeit seit dessen Gründung ein Anliegen des Kolping Familienreferates. Leider wird die Leistung der Groß- und Mehrlingsfamilien für unsere Gesellschaft viel zu wenig (an-)erkannt. Die Corona-Pandemie hat bei manchen Familien zu einer Verschärfung der ohnehin angespannten Lebensumstände geführt.

Gerne hätten wir die ein oder andere Familie bei der Anschaffung von Geräten für das Homeschooling unterstützt – allerdings reichte dafür unser im Moment sehr bescheiden ausgestatteter „Spendentopf“ nicht aus.

Auch unabhängig von Corona werden Waschmaschinen, Trockner und Spülmaschinen kaputt gehen, müssen Kleider für die Kommunion, für die Firmung und Schulausrüstung für ABC-Schützen (bei Drillingen in dreifacher Ausführung) gekauft werden. Wir würden gerne allen anfragenden, einkommensschwachen Familien zumindest einen kleinen Teil der entstehenden Kosten erstatten.

Es wird meiner Einschätzung nach 2021 einen großen Bedarf an – wenn auch nur kurzen – Erholungsmöglichkeiten und „Verschnaufpausen“ geben. Die Familien haben in den vergangenen Monaten sehr viel geleistet und sind vielfach am Rande der Erschöpfung. Auszeiten für die Eltern gab es kaum, funktionieren war angesagt. Deswegen ist es mir ein großes Anliegen, möglichst vielen Familien die Möglichkeit zu geben, wenigstens ein paar Tage mal aus ihrem anstrengenden Alltag heraus zu kommen, um auftanken zu können. Zwar gibt es für Erholungsmaßnahmen in gemeinnützigen Häusern eine staatliche Förderung, aber diese Zuschüsse reichen oftmals einfach nicht aus. Da braucht es manchmal nur einen kleinen Betrag, der die Restkosten auf einen finanzierbaren Eigenanteil reduziert.

Sie sagen, dass kaum Geld zur Unterstützung da ist. Wie finanziert sich denn die Großfamilienförderung?

Weingarten: Für die Unterstützung unserer Groß- und Mehrlingsfamilien sind wir ausschließlich auf Spenden von außen angewiesen. Wir hoffen sehr, dass uns auch für 2021 wieder Gelder zugedacht werden, damit wir Familien in Bayern, die sich für mehrere Kinder entscheiden, sinnvoll unterstützen können.

Frau Weingarten, vielen Dank für das Interview.

Wer die wertvolle Arbeit des Kolping Großfamilienservice mit einer Spende unterstützen kann, hier die Kontodaten:

Kolpingwerk Landesverband Bayern e.V.
"Kinderreiche Familien"
LIGA-Bank e.G.
BIC GENODEF1M05
IBAN DE98 7509 0300 0102 1529 40

 

Simon Vornberger, Referent für Öffentlichkeitsarbeit
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Sabine Weingarten (Foto: Kolping-Großfamilienservice)