„Mit der Krise versinkt das Land“

20.04.2020 | Briefe unserer Kolping-Freunde aus Ecuador

Ecuador ist eines der Länder in Südamerika, das von der Corona-Krise mit am härtesten getroffen wird. Zwei Briefe aus Ecuador berichten von der dramatischen und traurigen Lage in unserem Partnerland.

Das kurze Video der FAZ macht deutlich wie dramatisch die Zustände aktuell in Ecuador sind. Mit unseren befreundeten Kolpingschwestern und -brüdern in Ecuador stehen wir natürlich in engem Kontakt. Jetzt haben uns von dort zwei traurige Briefe von Lorena Pazmiño (Kolpingwerk Ecuador) und Jeanette Calvachi (Kolpingstiftung Ecuador) erreicht, die berichten wie es in den Kolpingsfamilien und Kolpingeinrichtungen in Ecuador aussieht (Spendeninfos stehen ganz unten).

Übersetzt hat Jennifer Becker aus unserem Diözesanfachausschuss Eine Welt, die spanischsprachigen Origingale stehen hier im Download-Bereich zur Verfügung.

 

Brief von Lorena Pazmiño,Vorsitzende Kolpingwerk Ecuador:

Liebe Kolpingbrüder und –schwestern des Kolpingwerkes München und Freising,

im Namen des Kolpingwerkes Ecuador sende ich euch herzliche, geschwisterliche und solidarische Grüße. Ich hoffe, dass es euch gut geht und wünsche euch den Schutz Gottes und unseres seligen Adolph Kolpings.

Ich möchte euch von der sehr kritischen Situation berichten, in der sich unser Land wegen des Coronavirus befindet.  Wir können auf keinerlei Krisenstrategie auf allen Ebenen zählen und leider sind wir mit einer völlig abwesenden und ineffizienten Regierung konfrontiert, was mit der Sorge um einen neuen Wahlkampf zu tun hat. Die politischen Kontrahenten diffamieren sich mit Hilfe von Medien und Machthabern. Die Unfähigkeit zeigt sich vor allem auch darin, dass dem Gesundheitsministerium nicht die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt wurden, um dieser Pandemie die Stirn zu bieten, außerdem hat sich bereits viel medizinisches Fachpersonal angesteckt.

Die veröffentlichten Zahlen von Erkrankten und Todesopfern liegt deutlich unter der tatsächlichen Dunkelziffer. Auch die Situation im ländlichen Bereich ist noch nicht bekannt: Unsere Bauern mussten in Zweitagesmärschen oder wie Verbrecher in Lieferwagen versteckt aus Guayaquil fliehen - die Stadt die ihnen zuvor zum Arbeiten die Tore geöffnet hatte (Anm.: Guayaquil ist die Stadt in Ecuador, die das Virus bislang wohl am heftigsten getroffen hat).

Die Realität, in der sich ein Großteil der Kolpingmitglieder befindet, ist hart und ungewiss, vor allem weil 90% mit ihrer Arbeit von Tag zu Tag leben, unsere Einkommensquelle sind unsere kleinen Geschäfte, z.B. Unternehmen, Dienstleister, Handel, Landwirtschaft, Kleinviehzucht, Milchproduktion und da wir uns in Quarantäne befinden, können wir nicht arbeiten. Von Tag zu Tag wird die Lage ernster, es gibt kein Geld mehr für Lebensmittel, das wenige Ersparte ist aufgebraucht, das Wenige, was wir hatten, ist weg. Manche gehen das Risiko ein und verlassen ihr Zuhause, um irgendwie was zu essen nach Hause zu bringen. Zusätzlich ist es schlimm für uns, dass jetzt am Ende des Monats die Nebenkosten wie Strom, Wasser und die Telefonrechnung fällig werden, die Miete unserer Wohnungen und unserer Läden, Schulgeld oder andere Verbindlichkeiten. Wir haben leider nicht das Glück, am Ende des Monats unser Gehalt zu bekommen. Die finanzielle Situation war in Ecuador auch schon vor der Krise kritisch und mit der Krise versinkt das Land.

Unsere große Sorge ist, wie wir uns von dem allen erholen sollen. Der Wunsch wieder zu arbeiten ist größer denn je, aber das alleine reicht nicht. Die Grundversorgung an Produkten wird in den Städten bereits knapp und die vorhandenen Güter werden beachtlich teurer.

Ein weiteres Thema für uns selbständig Arbeitende ist, dass wir keine Sozialversicherung haben und die öffentliche Gesundheitsversorgung sehr schlecht ist, die Kosten für einen Coronatest sind sehr hoch, besonders in unserer prekären Wirtschaftssituation. Bisher haben wir noch keine schlimmen Fälle innerhalb der Kolpingmitglieder, aber mehrere erkrankte Angehörige.

Wir sind im ständigen Kontakt, unterstützen uns von Tag zu Tag, motivieren uns gegenseitig und halten unseren Glauben lebendig. Jede Region macht innerhalb ihrer Möglichkeiten, was sie kann, um die Situation irgendwie zu verbessern.

 

Eine feste Umarmung von euren Kolpinggeschwistern aus Ecuador!

Treu Kolping!

Herzlich,

Lorena Pazmiño
Vorsitzende Kolpingwerk Ecuador

 

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Brief von Jeanette Calvachi Geschäftsführerin der Kolpingstiftung Ecuador:

Liebe Geschwister von Kolping München,

zuerst einmal möchte ich mich im Namen aller Kolpingmitglieder aus Ecuador für eure Fürsorge und euren Beistand in diesen schweren Zeiten, in denen wir uns aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus in unserem Land befinden, bedanken. Zudem möchten wir auch unsere Anteilnahme und Solidarität im Hinblick auf die Situation in Deutschland, speziell in München bezüglich der Epidemie aussprechen. Wir hoffen, dass dieser Alptraum bald vorbei geht und wir nicht allzu viele Tote beklagen müssen.

Seit dem 17. März hat die nationale Regierung diverse Maßnahmen erlassen, wie die Einschränkungen der Mobilität innerhalb des Landes oder die schrittweise Ausgangssperre, um die Ansteckung innerhalb der Bevölkerung zu vermeiden -  aktuell zwischen 14 Uhr und 5 Uhr morgens jeden Tag. Die Geschäfte und die öffentlichen und privaten Einrichtungen sind geschlossen, mit Ausnahme von Lebensmittel- und Grundversorgung, dem medizinischen Bereich und Einrichtungen der öffentlichen Sicherheit.

Übereinstimmend mit dieser Anordnung haben die Kolpingstiftung und alle Projekte ihren Betrieb eingestellt, nun bereits seit über einem Monat. Lediglich die Spar- und Kreditgenossenschaft von Kolping Manabi hat teilweise ihre Arbeit fortgesetzt, auf virtuelle Weise und in einzelnen wenigen Fällen als Präsenztreffen. Die Schule in Santo Domingo befindet sich in den Ferien, außerdem hat die  Einschreibungsphase für das neue Schuljahr begonnen, die wir bis zum 04. Mai verlängert haben und die digital möglich ist.

Wir haben die Gehälter aller Mitarbeiter in der Stiftung für den Monat März gestrichen und es stehen die Zahlungen für den Internetanschluss, die Steuern, die Sozialversicherungen und die Nebenkosten an. Auch die Gehälter und Ausgaben für April und Mai machen uns aktuell große Sorgen.

Die Geschäftsleitung hat einige gesetzliche Maßnahmen in Anspruch genommen, die die Personalkostenlast etwas mildert, aber nichtsdestotrotz müssen fällige Zahlungen geleistet werden.

Die Coronasituation in Ecuador:
Das schlechte Krisenmanagement und die Unverantwortlichkeit der nationalen Regierung im Hinblick auf die die Epidemie ist bekannt. Maßnahmen wurden sehr spät ergriffen, es gab keine Rückstellungen für die Finanzierung des medizinischen Aufwands, Medikamente und der notwendigen Ausstattung, um erkrankte Personen zu behandeln. Zum anderen wurden auch nicht die notwendigen Finanzmittel für den Gesundheitssektor zur Verfügung gestellt und der Finanzminister hat es bevorzugt, einen Teil der ausländischen Schulden beim IWF zurückzuzahlen, anstatt das Geld in die Prävention und die Gesundheitsversorgung im Land zu investieren.

Für Ecuador ist diese Epidemie zu einem sehr schlechten Zeitpunkt eingetreten, da wir bereits in einer sehr schwierigen Finanzkrise gesteckt haben, verschuldet durch ein schlechtes wirtschaftliches, politisches und soziales Handeln von Seiten der aktuellen Regierung, die nichts anderes im Sinn hat, alles das von der Vorregierung Erreichte rückgängig zu machen, nicht zu regieren und nicht nach gangbaren und nachhaltigen Alternativen für das Land und seine Bevölkerung zu suchen.

Ecuador ist nach Brasilien das Land mit der zweithöchsten Zahl an Coronainfizierten und Toten (Anm.: innerhalb Südamerikas), aber im Vergleich zur Bevölkerungsanzahl der beiden Länder ist das Niveau der Ausbreitung der Epidemie und das Fehlen von Berichten in jeglicher Hinsicht alarmierend, besonders in Guayaquil.

Wir arbeiten von zuhause aus und wir sind mit den Kolpingmitgliedern eng im Kontakt. Wir verschicken aufmunternde Nachrichten zum Selbstschutz und um die Präventionsmaßnahmen „Quédate en Casa“ (Bleibt Zuhause) zu unterstützen. Wir sind im ständigen Gebet zusammen mit den Diözesen und Pfarreien, mit denen wir Hilfsangebote für die Gemeinschaft koordinieren.

Ich bete zu Gott, dass er uns beschützt und uns hilft, aus dieser Situation zu entkommen, aber vor allem bitte ich, dass, wenn wir zur Normalität zurückkehren, wir gelernt haben die Gesundheit, das Leben, unsere Familien und alles, was Gott uns schenkt, wertzuschätzen.

 

Eine herzliche Umarmung! Passt auf euch auf und grüßt alle Kolpinggeschwister aus München von uns!

Jeanette Calvachi
Geschäftsführerin der Kolpingstiftung Ecuador

 

Spenden kann man über den Kolping-Corona-Fonds

Kolping International Cooperation e.V.
DKM Darlehnskasse Münster eG
IBAN DE74 4006 0265 0001 3135 00
Spendenzweck/Überweisungszweck: Coronahilfe Ecuador
 

 

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