Kommentar zu „AMORIS LAETITIA“

09.05.2016 | Kolpingwerk Diözesanverband München und Freising

Werner Attenberger, Diözesanvorsitzender des Kolpingwerkes München und Freising hat sich mit dem nachsynodalem Schreiben „AMORIS LAETITIA“ von Papst Franziskus auseinandergesetzt.

Mein erster Eindruck war Enttäuschung. Enttäuschung darüber, dass in vielen Passagen auf frühere Lehrschreiben, insbesondere auf „Humanae Vitae“ verwiesen wird und die dort enthaltene Grundhaltung der Kirche zu Sexualität und Empfängnisverhütung bekräftigt wird (wenn auch - und das ist ein Fortschritt - die künstliche Empfängnisverhütung nicht mehr explizit verboten wird).
Im weiteren lesen, besonders in den Abschnitten zur Begleitung nach Brüchen und Scheidungen (Abschnitte 241 - 243), kam dann doch Hoffnung auf. Insbesondere die Aussage, dass Geschiedene in neuer Verbindung "keineswegs exkommuniziert sind" ist doch ein erheblicher Fortschritt gegenüber bisherigen Aussagen. Auch die Betonung des Werts des Gewissens in Ehefragen ist ein Fortschritt und deutet in die richtige Richtung.
Nach Papst Franziskus ist ein wichtiges Ergebnis der Synode, dass nicht die Idealfamilie zum Stereotyp werden dürfe (Abschnitt 57). Er sieht die Probleme „schwieriger Umstände“ und „verletzter Familien“ und spricht sie deutlich an.
Skeptisch bin ich jedoch, ob die in Abschnitt 244 angesprochene Vereinfachung bei Verfahren zur Ehenichtigkeit so viel bringt, da viele Geschiedene eine Aufhebung der Ehe gar nicht wollen. Sie stehen vielmehr zu ihrer früheren Ehe und betrachten ein Nichtigkeitsverfahren eher als Verrat an der früheren Verbindung.
Auch dass Homosexuelle in ihrer Würde geachtet werden sollen und in der kirchlichen Gemeinschaft mit Respekt behandelt werden sollen, ist ein positiver Aspekt.
Die Aussagen zur Priesterausbildung, die mehr auf das tatsächliche Leben in Ehe und Familie ausgerichtet werden soll, sind bemerkenswert (Abschnitt 203).
Insgesamt muss das Schreiben auch unter dem Aspekt der Kompromissfindung zwischen Fortschrittlichen und Konservativen betrachtet werden. Papst Franziskus bemüht sich, praktikable Lösungen für einige der anstehenden Probleme zu finden. Man muss bei diesem Schreiben auch zwischen den Zeilen lesen und auf das achten, was weggelassen wurde. So öffnet es meines Erachtens die Tür zumindest „einen Spalt weit“. Abzuwarten bleibt, was die Bischöfe, insbesondere in Deutschland, daraus machen, denn das Schreiben betont ja ausdrücklich die örtlichen Verhältnisse und Traditionen und weist den Ortsbischöfen mehr Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse zu.

Werner Attenberger, Diözesanvorsitzender des Kolpingwerkes München und Freising
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Werner Attenberger, Diözesanvorsitzender des Kolpingwerkes